16. August 2023
Im vergangenen Jahr erregte die anhaltende Energiekrise in Europa große Aufmerksamkeit. Seit Jahresbeginn sind die europäischen Erdgas-Futures-Preise relativ stabil geblieben.
Doch in den letzten Tagen kam es zu einem plötzlichen Anstieg. Ein unvorhergesehener potenzieller Streik in Australien, der bislang nicht stattgefunden hat, löste unerwartete Auswirkungen auf dem Tausende von Kilometern entfernten europäischen Erdgasmarkt aus.
Alles wegen Streiks?
Die Preisentwicklung des europäischen Benchmark-Erdgas-Futures TTF für den Folgemonatskontrakt zeigte in den vergangenen Tagen deutliche Schwankungen. Der Futures-Preis, der bei knapp 30 Euro pro Megawattstunde startete, stieg im Handelsverlauf zeitweise auf über 43 Euro pro Megawattstunde und erreichte damit den höchsten Stand seit Mitte Juni.
Der Schlusskurs lag bei 39,7 Euro und damit um 28 Prozent über dem Tagesschlusskurs. Die starke Preisvolatilität ist vor allem auf Streikpläne der Arbeiter in wichtigen Flüssigerdgasanlagen in Australien zurückzuführen.
Laut einem Bericht der „Australian Financial Review“ unterstützen 99 Prozent der 180 Produktionsmitarbeiter der Flüssiggasplattform von Woodside Energy in Australien den Streik. Die Beschäftigten müssen den Streik sieben Tage im Voraus ankündigen. Infolgedessen könnte die Flüssiggasanlage bereits nächste Woche stillgelegt werden.
Darüber hinaus drohen auch die Mitarbeiter von Chevron im örtlichen Flüssigerdgaswerk mit einem Streik.All diese Faktoren könnten den Export von Flüssigerdgas aus Australien behindern. Tatsächlich fließt australisches Flüssigerdgas selten direkt nach Europa, sondern dient vor allem als Lieferant für Asien.
Analysen deuten jedoch darauf hin, dass asiatische Käufer bei einem Rückgang des australischen Angebots ihre Käufe von Flüssigerdgas, unter anderem aus den USA und Katar, erhöhen könnten, was den Wettbewerb mit Europa verschärfen würde. Am 10. Januar verzeichneten die europäischen Erdgaspreise einen leichten Rückgang, und Händler schätzen weiterhin die Auswirkungen pessimistischer und bullischer Faktoren ein.
EU erhöht ukrainische Erdgasreserven
InIn der EU haben die Vorbereitungen für den diesjährigen Winter bereits frühzeitig begonnen. Der Gasverbrauch im Winter ist üblicherweise doppelt so hoch wie im Sommer, und die Erdgasreserven der EU sind derzeit zu fast 90 % ausgelastet.
TDie Erdgasspeicher der EU haben eine Kapazität von maximal 100 Milliarden Kubikmetern, während der jährliche Bedarf der EU zwischen 350 und 500 Milliarden Kubikmetern liegt. Die EU sieht die Möglichkeit, in der Ukraine eine strategische Erdgasreserve anzulegen. Berichten zufolge könnten die ukrainischen Anlagen der EU zusätzliche Speicherkapazitäten von 10 Milliarden Kubikmetern bieten.
Daten zeigen außerdem, dass die gebuchte Kapazität der Erdgaspipelines, die Gas von der EU in die Ukraine liefern, im Juli den höchsten Stand seit fast drei Jahren erreichte und sich in diesem Monat voraussichtlich verdoppeln wird. Da die EU ihre Erdgasreserven erhöht, gehen Branchenkenner davon aus, dass dieser Winter im Vergleich zum Vorjahr deutlich sicherer ausfallen könnte.
Sie warnen jedoch auch davor, dass die europäischen Erdgaspreise in den nächsten ein bis zwei Jahren weiter schwanken könnten. Die CitiGroup prognostiziert, dass sich die europäischen Erdgaspreise im Januar nächsten Jahres auf rund 62 Euro pro Megawattstunde verdoppeln könnten, wenn die Streiks in Australien rechtzeitig beginnen und sich bis in den Winter hineinziehen.
Wird China betroffen sein?
Wenn es in Australien ein Problem gibt, das sich auf die europäischen Erdgaspreise auswirkt, könnte es dann auch unser Land betreffen? Während Australien der größte Flüssigerdgaslieferant im asiatisch-pazifischen Raum ist, entwickeln sich die Erdgaspreise in China bisher stabil.
Laut Angaben des Nationalen Statistikamts lag der Marktpreis für Flüssigerdgas (LNG) in China am 31. Juli bei 3.924,6 Yuan pro Tonne, was einem Rückgang von 45,25 % gegenüber dem Höchststand Ende letzten Jahres entspricht.
Das Informationsbüro des Staatsrats hatte zuvor in einer regelmäßigen politischen Unterrichtung erklärt, dass sowohl die Erdgasproduktion als auch die Erdgasimporte Chinas im ersten Halbjahr ein stabiles Wachstum gezeigt hätten und so der Bedarf sowohl der Haushalte als auch der Industrie effektiv gedeckt worden sei.
Der Erdgasverbrauch in China belief sich im ersten Halbjahr laut Versandstatistik auf 194,9 Milliarden Kubikmeter, ein Anstieg von 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit Sommerbeginn lag der höchste tägliche Gasverbrauch zur Stromerzeugung bei über 250 Millionen Kubikmetern und trug damit maßgeblich zur Spitzenlast bei der Stromerzeugung bei.
Der von der Nationalen Energiebehörde veröffentlichte „China Natural Gas Development Report (2023)“ zeigt, dass sich der chinesische Erdgasmarkt insgesamt stabil entwickelt. Von Januar bis Juni lag der nationale Erdgasverbrauch bei 194,1 Milliarden Kubikmetern, ein Anstieg von 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Erdgasproduktion erreichte 115,5 Milliarden Kubikmeter, ein Anstieg von 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Im Inland wird aufgrund der wirtschaftlichen Lage und der Entwicklung der nationalen und internationalen Erdgaspreise mit einer weiteren Erholung der Nachfrage gerechnet. Vorläufigen Schätzungen zufolge wird Chinas nationaler Erdgasverbrauch im Jahr 2023 zwischen 385 und 390 Milliarden Kubikmetern liegen, was einer jährlichen Wachstumsrate von 5,5 bis 7 Prozent entspricht. Dieses Wachstum wird vor allem durch den städtischen Gasverbrauch und die Gasnutzung zur Stromerzeugung getrieben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Ereignis nur begrenzte Auswirkungen auf die Erdgaspreise in China haben wird.
Veröffentlichungszeit: 16. August 2023










